Ich glaube, die eigentlich schwierigen Fragen beim Thema Datenschutz und Privatsphäre im Internet betreffen nicht die expliziten Daten, die man irgendwo explizit und für einen bestimmten Zweck eingibt, sondern die impliziten Daten, die automatisch bei der Internetnutzung anfallen.
Dazu mal ein Gleichnis, das natürlich nicht 100% mit unserer Situation vergleichbar ist,das aber vielleicht einige Problempunkte illustrieren und zum Nachdenken anregen kann.
Im Dschungel
Ich mag Geschichten von Anthropologen, die davon berichten, wie sie andere Kulturen erforschen. Kulturen, die noch traditionell als Jäger und Sammler leben, haben unglaubliche Fähigkeiten.
Mitglieder dieser Gruppen sind wohl tatsächlich dazu in der Lage, anhand von Spuren im Dschungel (Spuren auf dem Boden, abgeknickte Äste, usw) sehr viel darüber zu erfahren, was an einer bestimmten Stelle passiert ist. Sie können nicht nur unterscheiden, welche Tiere wo unterwegs waren, sondern auch ihre eigenen Stammesmitglieder unterscheiden und so nachvollziehen welche Person aus welchem Grund wo entlang ging.
Diese Datenspuren entstehen zwangsläufig, wenn man sich normal durch den Dschungel bewegt. Wer in einer solchen Gesellschaft aufwächst, weiß das und lernt, wie er sie lesen kann.
Beim Durchqueren des Dschungels keine Spuren zu hinterlassen ist unmöglich. Wer etwas zu verbergen hat und nicht möchte, dass seine Spuren ihn verraten, muss seine Spuren gegebenenfalls verfälschen. Das erfordert besonderes Geschick und ist natürlich mühsam.
Privacy-by-Default ist hier nicht umsetzbar. Man kann schlecht den Dschungel roden und asphaltieren, nur damit Menschen keine Spuren mehr hinterlassen.
Im Internet
Nur damit das klar ist: Ich möchte nicht das Leben als Jäger und Sammler idealisieren. Es ist kaum von Freiheit geprägt. In diesen Gemeinschaften muss sich jedes Mitglied dem Zwang der Gruppe zu überleben unterordnen. Das Leben ist stark reglementiert und von festen Bräuchen und Traditionen dominiert. Kranke müssen zurückbleiben und können nicht versorgt werden. Für Individualismus bleibt nicht viel Platz.
Es geht hier also nicht darum, dass ich sagen möchte, das Internet muss wie eine Gruppe Jäger und Sammler organisiert sein. Es geht hier nur darum, zu veranschaulichen, dass das eigentliche Problem in den Daten liegt, die beim Bewegen im Netz zwangsläufig entstehen. Das Entstehen dieser Datenspuren zu verhindern ist im Einzelfall nur mit Einsatz großer Mühe umsetzbar und wäre im allgemeinen gar nicht umsetzbar, ohne die eigentliche Natur des Internets mit all seinen positiven Aspekten zu zerstören.
Hi NineBerry,
unter http://www.internet4.org/ findest Du ein offenes Wiki, daß sich mit der Entwicklung eines Internets mit eingebautem Anonymisierungslayer befasst.
Mich würde Deine Meinung dazu sehr interessieren.
gruuß
inkorrupt
Finde es gut, wenn es Möglichkeiten gibt, zu bestimmten Zeiten gezielt das Internet anonym zu benutzen.
Ich sehe das Internet aber vor allem auch als sozialen Raum. Die Datenspuren die sich dort ergeben, ergeben sich, weil man es ja eben nicht anonym nutzen möchte.
Das Internet ist kein Dschungel sondern ein Garten und die Wege sind frisch geharkt, damit man deine Spuren sieht.