ACTA-Demo

Meine Rede zur Protestkundgebung gegen ACTA am 11. Februar 2012 in Karlsruhe im Wortlaut:

Eine Idee, deren Zeit gekommen ist, kann niemand stoppen.

Eine Idee, deren Zeit gekommen ist, kann niemand stoppen.

ACTA ist keine Idee, deren Zeit gekommen ist, deswegen werden wir es stoppen. Europaweit finden deswegen heute in hunderten von Städten Demonstrationen statt, so wie heute auch hier. Ich finde es klasse, wie viele Leute heute hier sind. Trotz der Kälte und obwohl eine Demo auch in Karlsruhe erst vor zwei Tagen angekündigt wurde.

Eine Idee, deren Zeit gekommen ist, kann niemand stoppen.

ACTA ist keine Idee, deren Zeit gekommen ist, deswegen musste das Vertragswerk auch im Geheimen ausgehandelt werden, unter Ausschluss der Öffentlichkeit, unter Ausschluss der gewählten Parlamente, ohne Beteiligung der Bürger und ohne Beteiligung der Organisationen der Zivilgesellschaft.

Aber wir leben heute in einer Zeit, wo man so etwas nicht mehr lange geheim halten kann. Durch Wikileaks wurden geheime Entwürfe veröffentlicht. Nur so gab es schon während der Verhandlungen Proteste gegen den Vertrag. Und nur deswegen sind heute im ACTA-Vertrag viele besonders problematische Punkte schon nicht mehr enthalten.

Eine Idee, deren Zeit gekommen ist, kann niemand stoppen.

Öffentlichkeit ist ein Prinzip, dessen Zeit gekommen ist. Deswegen sind diese Proteste auch ein klares Signal an alle Regierungen weltweit: Politik muss öffentlich sein! Wir, die Menschen, möchten an allen politischen Entscheidungen beteiligt sein. Wir möchten wissen, wer mit dem worüber verhandelt. Wir möchten wissen, wer hinter welchen Gesetzesentwürfen oder Regierungsentscheidungen steckt. Und wir möchten letztendlich auch bei allen diese Entscheidungen mitreden dürfen.

Eine Idee, deren Zeit gekommen ist, kann niemand stoppen.

Und Mitbestimmung ist ein Prinzip, dessen Zeit gekommen ist. Das muss nicht heißen, dass es zu jeder Frage Volksabstimmungen gibt. Aber es muss mindestens bedeuten, dass alle politischen Prozesse transparent ablaufen. Und es muss mindestens bedeuten, dass gewählte Parlamente und nicht Regierungsvertreter oder Lobbyisten Gesetze machen. Und es muss mindestens bedeuten, dass in allen Fällen Vertreter aller betroffenen Interessensgruppen mitreden und mitentscheiden dürfen.

Bei ACTA war dies nicht der Fall. Vertreter großer Wirtschaftsunternehmen saßen mit am Verhandlungstisch, den Parlamenten aber war der Zugang verwehrt. Auch Vertreter von Künstlern direkt waren nicht zugelassen, auch keine Verbraucherschützer und keine Repräsentanten der Internetnutzer.

Das ist einer der Gründe, wieso heute so viele Menschen auf die Straße gehen: Wir sind gegen einen Abbau demokratischer Grundsätze und für einen Ausbau von Transparenz und Mitbestimmung!

Aber auch inhaltlich muss man ACTA klar ablehnen. Weil nur die Vertreter der großen Unternehmen mit am Verhandlungstisch saßen, werden auch nur deren Interessen dort berücksichtigt. Die Idee von geistigem Eigentum wird zementiert und die Menschen werden nicht als potenzielle Kunden, sondern nur als potenzielle Kriminelle betrachtet.

Eine Idee, deren Zeit gekommen ist, kann niemand stoppen.

Deswegen ist es auch unsinnig, Ideen wie Gegenstände zu betrachten. So etwas wie „Geistiges Eigentum“ gibt es nicht. Es kann niemand Eigentum an einer Idee besitzen. Für manche Ideen ist die Zeit einfach reif. Manche Geschichten liegen in der Luft, und es muss sich nur jemand finden, der sie niederschreibt.

Wir müssen in den letzten Tagen sehen, wie Unternehmen wie Apple, Samsung und Nokia sich gegenseitig vor Gerichte zerren und sich gegenseitig Verkaufsverbote auferlegen wollen. Mir als Kunden hängt so etwas zum Hals raus. Es ist mir egal, wer als Erster auf die Idee kam, ein Tablett als Rechteck mit abgerundeten Ecken zu verkaufen. Mir geht es darum, wer darauf die beste Software laufen hat und welches Gerät die länge Akkulaufzeit besitzt, usw. Und, liebe Hersteller, ich würde gerne Geräte kaufen, bei denen ich mir sicher sein kann, dass bei der Herstellung nicht Arbeiter in anderen Ländern unter menschenunwürdigen Bedingungen arbeiten müssen. Kümmert euch doch bitte einmal darum!

Eine Idee, deren Zeit gekommen ist, kann niemand stoppen.

Eine Idee kommt nie aus dem Nichts. Eine neue Idee baut immer auf dem auf, was vorher schon da war. Man sieht es in der Wissenschaft: Jede neue Erkenntnis fußt auf dem, was die Wissenschaft in den hunderten von Jahren vorher Schritt für Schritt aufgebaut hat. Das zeigt: Teilen von Wissen, Kopieren von Technologien, der Remix bestehender Konzepte ist es, was Fortschritt schafft und uns als gesamte menschliche Gesellschaft weiterbringt.

Wissen, Technologie und Kultur sind ein elementarer Teil dieser Gesellschaft. Deswegen müssen wir dafür sorgen, dass sie auch von der Gesellschaft frei genutzt werden können und nicht zum Eigentum einiger Großkonzerne werden.

ACTA tut das Gegenteil. Es erschwert zum Beispiel die freie Nutzung und Verbreitung von sogenannten verwaisten Werken, also von Werken, bei denen der Rechteinhaber vorerst nicht mehr ermittelbar ist. Es steigt damit die Gefahr, dass diese Werke für immer verloren gehen.

ACTA fördert Kopierschutzmaßnahmen. Es verbietet es, Kopierschutzmaßnahmen zu umgehen und Werkzeuge herzustellen, die Kopierschutzmaßnahmen umgehen können. Auch dadurch werden wir als Konsumenten, obwohl wir doch für die Werke bezahlt haben, daran gehindert sie so zu nutzen, wie wir das wollen. Und auch dadurch können Werke für immer verloren gehen.

Eine Idee, deren Zeit gekommen ist, kann niemand stoppen.

Eine Idee, deren Zeit gekommen ist, ist der freiere Umgang mit Kulturgütern. Wir als Konsumenten möchten einfach darauf zugreifen können, wir möchten sie mit anderen teilen können. Und wir möchten sie nutzen können, um selbst eigene Werke zu gestalten. Die alten Urheberrechtskonzepte, die durch ACTA weiter zementiert werden, verhindern dies. Wir brauchen aber neue Modelle für das Urheberrecht.

Das bedeutet nicht, dass wir den Künstlern nicht zugestehen wollen, Geld mit ihren Werken zu verdienen. Im Gegenteil. Teil dieser neuen Idee ist auch die Erkenntnis, dass das freiere Teilen von Kultur den Urhebern im Regelfall nicht schadet, sondern ihnen auch nützen kann. Nützen kann, bekannter zu werden. Nützen kann, mehr Fans zu finden. Nützen kann, mit ihren Fans in direkteren Kontakt zu treten.

Die Fakten bestätigen diese These. Die Gewinne der Filmindustrie und der Musikindustrie sind in den letzten Jahren gestiegen, trotz Wirtschaftskrise und trotz Filesharing im Netz.

Ein besonders einprägsames Beispiel: Die Computerspielefirma Double Fine hat vor zwei Tagen eine Aktion im Netz gestartet, um ihr nächstes Computerspieleprojekt direkt durch die Fans vorzufinanzieren. Sie haben keinen Publisher gefunden, der bereit gewesen wäre, ihre Ideen für ein neues Spiel zu unterstützen und vorzufinanzieren. Innerhalb von weniger als 48 Stunden haben im Netz schon 42,000 Menschen insgesamt über 1,5 Millionen Dollar bezahlt, um dieses Projekt umgesetzt zu sehen.

Eine Idee, deren Zeit gekommen ist, kann niemand stoppen.

Dazu gehört die Idee, dass in Zukunft Schaffende und Fans wieder näher zusammenrücken. Die Idee, dass Geld verdient, wer auf seine Fans hört und diese als Verbündete betrachtet statt als Feind. Die Idee, dass die Verwerterindustrie als Mittelsmann zwischen Künstler und Fan an Bedeutung verliert.

Die Verwerterindustrie möchte das natürlich nicht. Deswegen arbeitet sie hart daran, Gesetze so zu verändern und zu erhalten, dass ihre Position weiter gestärkt wird. Das Ergebnis sind dann Gesetzesvorhaben wie SOPA, PIPA und eben auch ACTA. Gesetze, geschrieben von Lobbyisten, die ihren eigenen finanziellen Vorteil dadurch erkaufen wollen, dass sie die freie Meinungsaustausch und das freie Ausleben von Kultur im Netz einschränken.

Aber: Eine Idee, deren Zeit gekommen ist, kann niemand stoppen.

So stehen wir hier und überall in Europe heute auf der Straße, um für einen freieren Umgang mit Kultur, für den Erhalt der Rechte der Verbraucher und für eine demokratische Gesellschaft mit Transparenz und Mitbestimmung einzutreten.

Eine Idee, deren Zeit gekommen ist, kann niemand stoppen.

 

2 thoughts on “ACTA-Demo

  1. “Dazu gehört die Idee, dass in Zukunft Schaffende und Fans wieder näher zusammenrücken. Die Idee, dass Geld verdient, wer auf seine Fans hört und diese als Verbündete betrachtet statt als Feind. Die Idee, dass die Verwerterindustrie als Mittelsmann zwischen Künstler und Fan an Bedeutung verliert.”

    Ich hoffe irgendwann werden es auch die Klischkas dieser Welt verstehen, dass sich einfach nur Geschäftskonzepte ändern und keine Rechte verschärfen müssen.

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