Being Human (CSD 2012 Karlsruhe)

Im folgenden der Text meine Rede auf dem CSD 2012 am 2.6.2012 in Karlsruhe. Ein Video davon sollte auch in den nächsten Tagen verfügbar sein.

Being Human

Schön, dass so viele Menschen heute hier sind. Es ist gut, zu sehen, dass sich der CSD auch in Karlsruhe auch etablieren kann. In vielen anderen Städten sind die CSDs inzwischen schon zu Traditionen mit Volksfestcharakter geworden, an denen die gesamte Bevölkerung teilnimmt.

Ich bin schon ein paar Mal gefragt worden: Warum eine so große Veranstaltung für eine Interessensgruppe, deren Interessen größtenteils schon durchgesetzt sind?

Meine Antwort:

Zum einen sind ja noch gar nicht alle Interessen durchgesetzt.

Gleichgeschlechtliche Paare haben immer noch nicht die gleichen Rechte wie verschiedengeschlechtliche: Es gibt Unterschiede im Steuersystem und vor allem haben sie immer noch nicht das Recht, gemeinsam Kinder zu adoptieren.

Dann ist das auch ein Zeichen an andere Staaten, wo die Situation für Homosexuelle noch sehr viel schlimmer ist und an die Teile der Bevölkerung, die das Rad gerne wieder zurückdrehen würden.

In den letzten Tagen wurden Predigten von Pastoren in amerikanischen Kirchen bekannt: Der eine redete davon, Schwule und Lesben in Lager mit Elektrozäunen zu stecken, bis sie (wie er glaubt) dann ausgestorben wären. Ein anderer forderte ganz unverhohlen die Todesstrafe für Homosexuelle.

In einem vor ein paar Tagen auf Youtube veröffentlichten Video sieht man, wie Vorschulkinder in einer Kirche dafür bejubelt werden, dass sie vor der Gemeinde ein homophobes Lied vortragen.

In Russland ist es seit kurzem verboten, öffentlich positiv über Homosexualität zu sprechen. Der CSD in Moskau vor einer Woche durfte nicht stattfinden, er wurde verboten. Einige Aktivisten, die trotzdem öffentlich der Presse Statements abgeben wollten, wurden nicht nur von religiösen und nationalistischen Schlägertrupps bedroht, sondern auch gewaltsam von der Polizei daran gehindert.

Über die Situation in anderen Erdteilen brauchen wir erst gar nicht zu reden.

Und dann gibt es noch einen dritten Punkt: Der CSD repräsentiert eben nicht nur die Queer-Community. Er steht inzwischen vielmehr für eine vielfältige und tolerante Gesellschaft insgesamt.

Und jetzt reden wir über Vampire und Werwölfe. Es gibt seit einigen Jahren einen Trend für Fernsehserien mit magischen Geschöpfen. Mit Vampiren, Werwölfen, usw.

Das Besondere: In diesen Serien sind die Vampire nicht mehr nur die bösen Monster. Sie werden als dedizierte Individuen dargestellt, mit ihren eigenen Bedürfnissen und der Notwendigkeit, damit irgendwie zurecht zu kommen. Das sind Serien wie z.B. True Blood oder Being Human.

Das Interessante: Mit jeder Folge und jeder Staffel ist ein immer größerer Teil der Charaktere irgendwie magisch anders. Es gibt eben nicht nur Vampire und Werwölfe, sondern auch Werpanther, Geister, Feen, Gestaltwandler, Hexen und Hexer, usw.

Und auch die Charaktere ohne magischen Hintergrund haben jeweils ihre eigenen ganz besonderen Eigenheiten.

Das ist ein Spiegelbild unserer Gesellschaft, wo es inzwischen akzeptiert ist, dass Menschen nicht alle gleich sind, sondern ihre ganz eigenen Bedürfnisse und Fähigkeiten haben. Und das gilt nicht nur für die Queer – Community, die inzwischen auch schon viel breiter geworden ist als früher: Da gibt es Homosexuelle, Bisexuelle, Asexuelle, Transgender, Transsexuelle, Intersexuelle, Polyamoröse  und bestimmt noch weitere Gruppen, die ich jetzt vergessen habe.

Aber es gilt z.B. auch für unseren Umgang mit sogenannten Behinderungen oder anderen Formen von nicht normativem Verhalten. Behinderte Menschen werden immer mehr nicht als Menschen mit Fehlern wahrgenommen, die ,am irgendwo wegsperrt. Sondern wir erkennen, dass Menschen mit Behinderungen nicht fehlerhaft sind, sondern eben nur anders. Und als Gesellschaft bemühen wir uns inzwischen, uns auf dieses Anderssein einzustellen.

Menschen mit ADHS oder Asperger Syndrom beispielsweise können heute offener damit umgehen, dass sie so sind, wie sie eben sind. Und wir als Gesellschaft haben dann auch die Möglichkeit, uns darauf einzustellen.

Die wichtige Erkenntnis ist: Wenn wir Änderungen am Rechtssystem fordern, wenn wir gleiche Rechte auch für Schwule und Lesben fordern, bedenken wir von vorneherein mit, dass es noch mehr Interessensgruppen gibt, denen die aktuelle Gesetzeslage nicht gerecht wird. Fordern wir nicht einfach, die bestehenden Rechte auch auf gleichgeschlechtliche Partnerschaften auszudehnen, sondern fordern wir Gesetze, die es Menschen ganz flexibel ermöglicht, ihre eigenen Bedürfnisse so zu regeln, wie es für sie am besten passt.

Also z.B. statt das Ehegattensplitting jetzt auch auf gleichgeschlechtliche Paare auszuweiten, lasst es uns komplett abschaffen und stattdessen z.B. allgemein das Kindergeld erhöhen. So erhöht man nicht nur die Gleichberechtigung für gleichgeschlechtliche Paare, sondern z.B. auch für Alleinerziehende Väter und Mütter, für Paare ohne Trauschein, für Geschiedene, die trotzdem weiter ihre Kinder gemeinsam aufziehen, für Partnerschaften aus mehr als zwei Personen und so weiter..

Danke, dass ihr heute hier seid. Und immer daran denken: Nur echte Vampire sind immun gegen HIV. Kondome schützen!

 

2 thoughts on “Being Human (CSD 2012 Karlsruhe)

  1. Sehr schön :). Für eine offene Gesellschaft in der jede* sein darf wie ersiees will.

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