Eine Stellungsnahme zum Blogpost von Mela:
Du stellst die Position falsch dar. Es ist nicht gemeint “Eigentlich finden wir es total scheiße, dass es euch gibt.” sondern “Wir finden es total scheiße (für euch), dass ihr Einschränkungen habt”.
Zitat “Weder Singer noch die Giordano-Bruno-Stiftung hätten dabei aber jemals – wie Markus Kurth unterstellte – behauptet, dass Krankheit und Behinderung „automatisch“ bedeuteten, dass die Betroffenen kein lebenswertes Leben führen würden: „Eine solche Aussage wäre doch auch völlig absurd! Jeder von uns kennt Menschen, die trotz schwerer Behinderungen oder Krankheiten ihr Leben nicht nur genießen, sondern in bewundernswerter Weise meistern. An dem, was sie leisten, können sich viele ‚gesunde Menschen‘ ein Beispiel nehmen.“”
Es ist doch aber völlig klar, dass es erstrebenswert ist, das Auftreten von Behinderungen zu vermeiden. Viele Behinderungen sind ja auch nicht die Folge einer erblichen Veranlagung, sondern von Unfällen. Es ist natürlich sinnvoll, Vorsichtsmaßnahmen zu ergreifen, um das Auftreten von solchen Unfällen zu verhindern oder die Folgen abzumildern.
Wenn jemand z.B. einen Unfall hatte und die Wirbelsäule dabei verletzt wurde, dann wird das ärztliche Bemühen und das Hoffen des Patienten, dass es zu keiner dauernden Querschnittslähmung kommt, wohl kaum als behindertenfeindlich gewertet werden können.
Ich habe meinen Zivildienst im Bereich der Schwerstbehindertenbetreuung durchgeführt und dabei einen Tetraspastiker betreut. Seine Behinderung ging zurück auf einen Sauerstoffmangel während der Geburt, der auftrat, weil Arzt und Hebamme nicht schnell genug reagierten. Der Versuch, so etwas zu verhindern, kann ja nicht als behindertenfeindlich interpretiert werden. Es ist klar, dass jedes einzelne Individuum es vorziehen würde, nicht von einer Behinderung betroffen zu sein.
Im Falle einer Selektion vor der Geburt muss man klare Grenzen ziehen, was sinnvoll ist und was nicht. Wenn man beispielsweise Eltern, die wissen, dass sie die Anlagen zu einer schweren Krankheit oder Behinderung besitzen, die Möglichkeit gibt, bei der Fortpflanzung diese Krankheits- oder Behinderungsgene auszuschließen, so kann ich daran nichts schlechtes erkennen. Es handelt sich nicht um eine Herabwürdigung der lebenden (oder zukünftig geborenen) Menschen, die von der Krankheit oder Behinderung betroffen sind, genauso wie es nicht eine Herabwürdigung von Querschnittsgelähmten darstellt, wenn Ärzte versuchen, Querschnittslähmung als Folge von Unfällen zu vermeiden.
Sinnvoll ist hier aber nur der Einsatz in Fällen, wo es um einzelne Probleme geht, deren Auftreten im voraus bekannt ist. Ein massenweises Aussortieren oder Vorsortieren von Embryonen im Allgemeinen ist nicht sinnvoll. Viele Krankheiten oder Behinderungen lassen sich im voraus nicht eindeutig vorhersagen und ein gezieltes “Züchten” von Menschen hat andere biologische Nachteile, die man bei von Menschen gezüchteten Pflanzen- und Tierarten deutlich sieht: Die schädlichen Erbmerkmale, die nicht im Fokus der Zucht liegen, werden verstärkt.
Sinnvoll ist es auch, hier zwischen der Art von Krankheit oder Behinderung zu unterscheiden. Eine Krankheit oder Behinderung, die tatsächlich nur eine “Behinderung” darstellt, die durch technische oder administrative Mittel kompensiert werden kann, ist sicher anders zu bewerten als eine Krankheit oder Behinderung, die tatsächlich zu ständigen Schmerzen, zu einem leidvollen oder extrem kurzen Leben führt.
Natürlich darf eine Selektion auch nie zum Zwang werden. Wenn Eltern sich dazu entscheiden, ein Kind zu bekommen, obwohl sie wissen, dass es sicher oder mit einiger Wahrscheinlichkeit krank oder behindert sein wird, dann ist das ihr gutes Recht.
Deswegen und weil Behinderungen eben nicht sicher vorhersagbar sind und weil Behinderungen eben auch aufgrund von Unfällen oder Krankheiten auftreten, wird es auch in Zukunft weiterhin immer Menschen mit den unterschiedlichsten Formen von Behinderungen geben.
Ganz unabhängig wie groß ihre Zahl ist, muss es immer Aufgabe der Gesellschaft sein, ihnen ein selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen. Die entsprechenden Maßnahmen zur Herstellung von Barrierearmut sind deswegen immer notwendig. Und die GBS bekennt sich ja eindeutig dazu.